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EU-Wahlrecht

Große Koalition will über EU-Wahlrecht Bundesverfassungsgericht aushebeln

Heute hat das Europäische Parlament einen Vorschlag für eine Änderung des europäischen Wahlrechts mit der Mehrheit der Großen Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen beschlossen. Die Grünen haben im Verfassungsausschuss wie im Plenum des Europaparlament dagegen gestimmt. Wichtigstes Anliegen der Großen Koalition dabei: Die Wiedereinführung einer Prozenthürde bei Wahlen zum Europaparlament in Spanien und in Deutschland, die zuletzt zwei Mal vom Verfassungsgericht in Karlsruhe für die Europawahl in Deutschland verworfen wurde. Durch die Abschaffung der Prozenthürde kamen viele Parteien erstmals ins Europaparlament: Die beiden Abgeordneten der ÖDP und der Piraten schlossen sich der Grünen/EFA-Fraktion an, ein Abgeordneter der Tierschutzpartei ging zur Linken, eine Freie Wählerin zu den Liberalen, ein Abgeordneter der Familienpartei ging mit der AfD zusammen zu den Rechtskonservativen. Nur der Abgeordnete der NPD und Martin Sonneborn von “Die Partei” blieben alleine. Auf den Anstoß des Verfahrens durch das Parlament folgt nach einem besonderen Verfahren ein Gegenvorschlag des Rats der Mitgliedstaaten, den das Parlament dann nur bestätigen oder ablehnen kann.

Den beschlossenen Vorschlag für ein neues Wahlrecht kommentiert Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament und stellvertretendes Mitglied im Verfassungsausschuss:

"Die Große Koalition will über das europäische Wahlrecht das Grundgesetz aushebeln. Obwohl Karlsruhe zweimal ein klares Urteil getroffen hat, sollen kleine Parteien nun über das europäische Wahlrecht wieder chancenlos gemacht werden. Die Praxis zeigt, dass das EU-Parlament auch mit Kleinparteien arbeitsfähig ist. Ein Neonazi und ein Komiker aus Deutschland können die Arbeit des Parlaments nicht derart erschweren, dass es den Verfall von Millionen Wählerstimmen rechtfertigt. Die meisten Abgeordneten von Kleinparteien wurden Mitglied größerer Fraktionen und arbeiten konstruktiv im Parlamentsalltag mit. Die Europäische Demokratie funktioniert bestens, ohne das Grundgesetz über das Europarecht zu verbiegen. Wer die Rechtslage in Deutschland ändern will, muss das Grundgesetz ändern statt maßgeschneiderte Änderungen am europäischen Wahlrecht voranzubringen.

Bei den Änderungen bleibt die große Reform aus: Europaweite Wahllisten, die wichtigste Maßnahme für eine wirklich europäische Wahl, wird nur als ferne Zukunftsoption genannt. Immerhin finden sich auch wenige gute Vorschläge an den Rat. Sie könnten die europäischen Wahlen ein Stück europäischer und demokratischer machen: Die Logos der europäischen Parteien auf dem Wahlzettel und im Wahlkampf können klar machen, welche Parteien in Europa zusammenhängen. Die Wähler sollten beispielsweise wissen, dass Orban, Berlusconi und Merkel allesamt zur Europäischen Volkspartei gehören. Neue, längere europäische Fristen zur Einreichung von Wahllisten und Mindestanforderungen an die Basisdemokratie bei der Listenaufstellung können verhindern, dass selbstherrliche Parteichefs eigenhändig kurz vor der Wahl entscheiden, wer die Kandidatinnen und Kandidaten sind. Eine verbindliche Quotierung von abwechselnd Männern und Frauen scheiterte knapp an Christdemokraten und Europaskeptikern. Das ist peinlich für ein Parlament, in dem Frauen stark unterrepräsentiert sind.

Es geht letztlich um kaum etwas anderes, als die Umgehung des deutschen Bundesverfassungsgerichts und sich in den Streit zwischen Madrid und Barcelona um mehr Autonomie für Katalonien einzumischen. Denn nur in Deutschland und Spanien hätten die Prozenthürden Wirkung. In allen anderen Mitgliedsländern haben die geringe Anzahl an Abgeordneten und die Größe von Wahlkreisen eine stärkere Wirkung als die geplanten Prozenthürden."

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