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Press release |

Exzessive Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands

Kommission muss jetzt handeln

Eine aktuelle Veröffentlichung der Bundesbank zu Deutschlands Leistungsbilanzstatistiken korrigierte den deutschen Leistungsbilanzüberschuss deutlich nach oben. Deutschland hat weit mehr exportiert als noch im letzten Jahr angenommen. Im Zuge der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (sog. “Sixpack”) wurde ein Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte eingeführt, dass aus einem Frühwarnsystem aus zehn Indikatoren besteht. Stellt die Kommission bei Überschreiten der Schwellenwerte ein starkes Ungleichgewicht in einem Mitgliedsstaat fest, kann die Behörde ein Verfahren zum Abbau exzessiver Ungleichgewichte (Excessive Imbalance Procedure) vorschlagen. Dann muss der betroffene Mitgliedsstaat einen genauen Aktionsplan vorlegen, um zu zeigen, wie er das Problem in den Griff bekommen will. Setzt der Mitgliedsstaat die Kommissionsempfehlungen nicht ausreichend um, drohen ihm finanzielle Sanktionen. 
Bislang konnte Deutschland im Dreijahresdurchschnitt immer knapp unter oder ganz knapp über dem Schwellenwert des Frühwarnsystems von 6% bleiben und so eine verschärfte Untersuchung und Überwachung mit möglichen Sanktionen durch die Kommission vermeiden. Laut jüngsten Zahlen der Bundesbank ergibt sich für Deutschland ein Dreijahresdurchschnitt des Leistungsbilanzüberschusses von 6,5% des BIP (1). 
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, kommentiert die Veröffentlichung der Leistungsbilanzstatistiken: 
“Die Merkel-Regierung muss jetzt ihrer Rolle als wirtschaftspolitischer Musterschüler Europas gerecht werden und Verantwortung für die extremen Leistungsbilanzüberschüsse übernehmen. Bisher konnte sich die schwarz-gelbe Regierung mehrmals aus der Verantwortung ziehen, weil die Berechnungen des Leistungsbilanzüberschusses Zahlen wie 5,99% hervorbrachten. Mit diesen aberwitzige Zahlenspielen wurde ein Verfahren verhindert, das längst überfällig ist. 
Über Jahre hinweg hat sich Deutschland mit starker Lohnzurückhaltung einen Exportvorteil gegenüber anderen EWU Mitgliedsstaaten gesichert. Diese Politik ist nicht nur unsolidarisch und gegenüber den Arbeitnehmern unfair, sondern fußt darauf, dass man sich nicht an getroffene Vereinbarungen gehalten hat: Während heutige Krisenstaaten über die vereinbarte 2% Kerninflationsrate hinaus geschossen sind, stiegen die Preise in Deutschland nur um ca. 1%. Die Krisenstaaten haben damit primär sich selbst geschadet. Deutschlands Politik war Gift für alle anderen Mitgliedsstaaten, deren Wirtschaft durch verbilligte Erzeugnisse aus Deutschland unter Druck gesetzt wurde. 
Bis heute verschließt die deutsche Regierung die Augen davor, dass krisengebeutelte Staaten nur eine Chance haben, den geforderten Aufschwung zu schaffen, wenn man ihnen Raum für Exporte lässt. Die Kommission muss dieses europäische Interesse vertreten und damit aufhören den großen Fisch Deutschland im europäischen Teich unbehelligt zu lassen. Bei kleinen Krisenstaaten ziert man sich nicht, Warnungen auszusprechen und Reformen zu verlangen. Es ist allerdings nicht zu erklären, dass man kleinen Staaten, wie etwa Slowenien, die unter stark angestiegener privater und öffentlicher Verschuldung leiden, ein Ungleichgewichtsverfahren aufbrummt und vor den deutschen Überschüssen die Augen verschließt. Die Kommission darf bei diesem Punkt keine Scheuklappen tragen und muss zumindest Grundprinzipien mathematischer Logik folgen: Wer anerkennt, dass ein überhöhter Importanteil einzelner Länder innerhalb der Währungsunion schädlich ist, der muss auch anerkennen, dass überhöhte Exportanteile schädlich sind. Wer von Staaten mit hoher Verschuldung Sparanstrengungen verlangt, der muss auch von Ländern mit hohen Überschüssen Maßnahmen zu deren Abbau fordern. 
Im Rahmen des Sixpack haben Kommission, Europaparlament und Mitgliedsstaaten ein Verfahren zum Abbau exzessiver Leistungsbilanzüberschüsse beschlossen. Angesichts der neuen drastischen Zahlen der Bundesbank sollte die Kommission diese Regeln konsequent auf Deutschland anwenden. Ein Auge zuzudrücken ist in dieser Situation keine Lösung. Ein Ungleichgewichte-Verfahren für die Merkel-Regierung würde das Problem der Leistungsbilanzüberschüsse mehr in den Fokus der politischen Diskussion rücken. Dies ist längst überfällig, denn über den notwendigen Schuldenabbau hinaus ist eine Verringerung der Ungleichgewichte Grundvoraussetzung jeder Lösung der Eurozonen-Krise.” 
(1) Bei der Leistungsbilanzstatistik der Bundesbank handelt es sich noch immer um vorläufige Zahlen. Die Zahlen werden mehrfach angepasst und voraussichtlich im Oktober bestätigt. Der Dreijahresdurchschnitt des Leistungsbilanzüberschuss von 6,5% des BIP berechnet sich anhand folgender Werte.

 

LB-Überschuss

BIP

2010

155,99

2496,2

2011

161,2

2592,6

2012

185,43

2643,9

 

 

 

3-Jahres Durchschnitt

6,499864%

 

Quellen: 
Leistungsbilanzüberschuss: Deutsche Bundesbank:

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