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Press release |

EP wird von jetzt an den Bürgern zuhören

Künftig verbindliche Anhörung von Bürgerinitiativen

Ein großes Ziel der Grünen und weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem Europa der Bürger ist erreicht: Heute beschloss das Europäische Parlament, in seine Geschäftsordnung eine verbindliche Regelung für die Anhörungen erfolgreicher Bürgerinitiativen aufzunehmen. Die neue Regelung stellt sicher, dass Europa aktiven Bürgerinnen und Bürgern künftig ein offenes Ohr zuwendet.

Dazu erklärt Gerald Häfner, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Europäische Bürgerinitiative und Koordinator der Grünen-Fraktion im Verfassungsausschuss:

„Unser langer Kampf für mehr Bürgerbeteiligung geht heute mit einem großen Erfolg zu Ende. Was wir erreicht haben, wird mehr Mitsprache von unten ermöglichen und wird Europa näher an seine Bürger und die Bürger näher an Europa bringen. Es ist ein Schritt weg von dem zentralistischen und elitistischen Politikstil der Vergangenheit, hin zu dem Europa der Bürgerinnen und Bürger, auf das die Menschen schon so lange sehnsüchtig warten.

Seit dem 1. April können diese ihre Anliegen nun in der Form einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) an die gesetzgebenden Institutionen der EU herantragen. Mindestens zehn Initiativen wurden seither angemeldet - und sechs bereits von der Kommission für zulässig erklärt. Dabei geht es z.B. um europäische Austauschprogramme, einheitliche Mobilfunktarife, mehr Schutz für Milchkühe, Ausweitung der Stimmrechte für EU-Bürger im Ausland oder die Umsetzung des Grundrechtes auf Trinkwasser. Es zeigt sich, dass Bürgerinnen und Bürger das Angebot, sich mit eigenen Vorschlägen in die europäische Politik einzumischen, aufgreifen. Nun müssen die Institutionen ihr offenes Ohr unter Beweis stellen.

Ich habe von Anfang an dafür gekämpft, dass derartige Bürgerinitiativen rechtlich und politisch ernst zu nehmende Folgen haben müssen und sich nicht als weiße Salbe erweisen dürfen. Mit dem Vorschlag, dass eine Million europäischer Bürgerinnen und Bürger, die die EU auffordern, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, dieses in öffentlichen Hearings vor Kommission und Parlament auch angemessen darstellen und begründen können müssen, standen wir Anfangs alleine, haben uns am Ende aber durchgesetzt.

Heute hat das EP genau diese Hearings in seine Geschäftsordnung aufgenommen und sich damit verpflichtet, künftig jede Initiative, die für ihr Anliegen die erforderlichen Unterschriften erreicht hat, ausführlich und öffentlich in den Räumen des EP anzuhören. Jede/r interessierte Bürger kann diese Anhörungen vor Ort oder per Webstream verfolgen. Alle interessierten Abgeordneten können teilnehmen. Organisiert werden die Anhörungen vom Präsidenten des EP gemeinsam mit dem jeweils zuständigen Fachausschuss sowie dem Petitionsausschuss. Die Kommission wird dabei auf höchstmöglicher Ebene, d.h. im Regelfall durch den verantwortlichen Kommissars oder, im Falle seiner Verhinderung, den zuständigen Generaldirektor vertreten sein.

Die heute beschlossene Änderung der Geschäftsordnung stellt den Schlussstein in der Regelung des Rechtes der Europäischen Bürgerinitiative dar - und einen absoluten Meilenstein in unserem Bemühen, Bürgerbeteiligung und Demokratie in Europa zu stärken. Sie ist das erste ausgestaltete Partizipationsinstrument auf transnationaler Ebene weltweit und damit international beispielhaft. Sie ist ein Erfolg der Grünen im Europäischen Parlament, der guten Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen in den verschiedenen Fraktionen und wichtiger zivilgesellschaftlicher Organisationen und Kampagnen.“

 Hintergrund:

Die EBI wurde von Demokratieinitiativen wie Mehr Demokratie, Democracy International und Initiative & Referendum Institute Europe vorgeschlagen und vom Konvent für die geplante Europäische Verfassung in den Verfassungsentwurf aufgenommen. Nach der Ablehnung des Verfassungsprojektes fand sie Aufnahme in den Vertrag von Lissabon (Art. 11 (4)).

Der von der Kommission im Frühjahr 2010 veröffentlichte Regelungsentwurf stieß auf breite Ablehnung des Parlamentes. Erst nachdem dessen vier Berichterstatter, A. Lamassoure (EPP), Z. Gurmai (S&D); D. Wallis (ALDE) und G. Häfner (GRÜNE) in Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission erhebliche Verbesserungen durchgesetzt hatten, erzielte der so geänderte Entwurf in der Abstimmung vom 15.12.2010 eine überwältigende Mehrheit von 628:15 Stimmen und wurde anschließend am 14.2.2011 auch vom Rat angenommen.

Nach einer 13-monatigen Frist für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten trat die Verordnung am 1.4.2012 in Kraft. Seither können Bürger der EU zu ihnen wichtigen Anliegen Vorschläge machen. Sie brauchen dazu 1 Millionen Unterschriften aus mindestens 7 Mitgliedsländern.

Erfolgreiche Initiativen müssen binnen 3 Monaten von der Kommission geprüft und dann öffentlich angehört werden. Die Anhörung wird vom Europäischen Parlament in Anwesenheit des Kommissars oder des zuständigen Generaldirektors durchgeführt. Dazu ermittelt die Konferenz der Ausschussvorsitzenden den sachlich zuständigen Fachausschuss und beauftragt diesen mit der Organisation des Hearings. Der Petitionsausschuss als Anwalt von Bürgerinteressen wird immer an diesen Anhörungen beteiligt. Alle Hearings sind öffentlich und werden von Medien begleitet sowie im Internet übertragen. Anschließend prüft die Kommission, ob sie eine Gesetzgebung im Sinne des angeregten Rechtsaktes initiieren will.

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