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Die Grundrechte gelten für alle EU-Bürger, auch in Tschechien

Parlament erteilt Possenspiel der Regierungen auf dem Rücken der Bürger eine Absage

Die Grundrechte der Europäischen Union sollen für alle Bürger in gleicher Weise gelten. Diesen Standpunkt hat das Europäische Parlament heute nahezu einstimmig bekräftigt. Es hat damit dem Rat widersprochen, der im Rahmen des Kroatien-Beitrittes eine Erklärung in die Europäischen Verträge aufnehmen wollte, wonach die Charta der Grundrechte für die Bürger Tschechiens nicht in vollem Umfang gilt.

Dazu erklärt Gerald Häfner, verfassungspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament:

„Grundrechte sind unteilbar. Sie müssen überall und für alle Bürger in gleicher Weise gelten. Sie sind das Herz der EU-Verträge. Es macht keinen Sinn, die Verträge anzuwenden, ihnen aber das Herz herauszureißen.

Dem EP gebührt Lob, dass es der Versuchung widerstanden hat, die Grundrechtecharta zu schwächen. Gleichsam finde ich es völlig unverständlich, warum der Rat sich auf dieses finstere Spiel des ehemaligen tschechischen Präsidenten eingelassen hat.

Das sogenannte tschechische Opt-out war von Anfang an ein unsägliches Bürger-Täuschungsmanöver. Denn die Grundrechte kennen kein Opt-out. Sie gelten für alle Bürgerinnen und Bürger der EU gleich. Das haben Rechtsexperten wie Gerichte unmissverständlich festgestellt.

Noch absurder war die Begründung: Die Grundrechte gefährdeten den Bestand der Benesch-Dekrete, mit denen in der damaligen Tschechoslowakei vor fast 70 Jahren die Enteignung und Vertreibung ethnischer Minderheiten – darunter auch der Sudetendeutschen – verfügt wurde! Abgesehen davon, dass die Charta keine rückwärtsgerichtete Geltung hat, wäre das Festhalten an vergangenem Unrecht einer der übelsten Gründe, den Bürgern heute ihre Rechte zu verweigern. Wir sollten im heutigen Europa jedes Gesetz als Unrecht betrachten, das die bloße Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe zum Ausgangspunkt für Bestrafung macht.

Vor allem aber war die heutige Entscheidung ein Sieg für die Demokratie. Denn wer hatte hier eigentlich eine Einschränkung der Grundrechte gefordert? Die tschechischen Bürger waren es nicht. Das von ihnen gewählte Parlament auch nicht – dieses hat den Vertrag damals ohne jeden Vorbehalt ratifiziert. Der tschechische Senat hat sich sogar klar gegen einen solchen Vorbehalt ausgesprochen. Auch das Verfassungsgericht nie hierüber verhandelt oder entschieden. Es war eine einzige Person, der damalige tschechische Präsident Vaclav Klaus, der diesen Vorbehalt erhoben hat, und zwar nachdem die Volksvertretung  den Vertrag bereits ohne Vorbehalt ratifiziert hatte.

Das wirft in diesem immer mehr intergouvernemental entscheidenden Europa die brisante Frage auf: Wessen Interessen vertreten unsere Regierungen eigentlich? Sind es die wirklich die Interessen ihrer Wähler, wie sie es immer gerne vorgeben? In diesem Fall war es zumindest für das EP klar: die Einschränkung der Grundrechte diente nicht, sie schadete vielmehr den Interessen der tschechischen Bürger.

Für die tschechischen Bürger ist der Spuk vorläufig beendet. Das Problem der Missachtung des Bürgerwillens aber bleibt ein Grundproblem der EU. Es ist nur durch mehr Demokratie, durch mehr Respekt für die Bürger in Europa und den Mitgliedstaaten zu lösen.

Ich fordere daher den Rat auf, dem Votum der EP Rechnung zu tragen und den angeblichen tschechischen Vorbehalt, der immer nur der Vorbehalt eines einzelnen Mannes war, nicht weiterzuverfolgen.“

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