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Grünes Licht für die Europäische Verfassung

Ko-Präsidentin Frassoni plädiert für Zustimmung in der Plenardebatte

"Herr Präsident! Die Mehrheit der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz ist für die Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa, weil sie die Auffassung vertritt, dass dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur politischen Integration unseres Kontinents ist. Ein Schritt, zu dem es, trotz der vielen Mängel des Verfassungsvertrags, bei den gegenwärtigen politischen und institutionellen Rahmenbedingungen keine Alternative gibt.

Die vorgeschlagene Verfassung begründet die Union als Gemeinschaft, die auf Grundrechten basiert; sie gründet die europäische Politik auf einen Kodex gemeinsamer Werte, legt klare und verbindliche Ziele fest und enthält die Verpflichtung, den Grundsatz der Nachhaltigkeit in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu berücksichtigen. Sie bezieht die sozialen Rechte mit in die klassischen Menschenrechte ein, verpflichtet die Union in ihrer Außentätigkeit zur Einhaltung des Völkerrechts, vereinfacht die Verfahren, klärt die Zuständigkeiten, erweitert den Anwendungsbereich der Beschlüsse der Gemeinschaft und erhöht die Transparenz und die demokratische Legitimität der Union sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger.

Der Text weist nicht wenige Lücken und Risiken auf, und es ist verständlich, dass sich viele Bürger, Organisationen und Bewegungen, die uns politisch nahe stehen, zunehmend vom Projekt Europa abwenden, weil die Union ihrer Ansicht nach noch nicht in der Lage ist, ihren Erwartungen gerecht zu werden und sich als politisch voll handlungsfähiger Akteur für eine bessere und gerechtere Welt einzusetzen. Diese Tatsache zu verhehlen, wie dies unsere Kollegen in ihrem Bericht getan haben, halten wir für unangebracht.

Aus dem Entschließungsantrag im Europäischen Parlament quasi eine Propagandaübung zu machen und so zu tun, als sei er das ideale Ergebnis einer ehrbaren, einträchtigen und bestmöglich erledigten Arbeit, ja zu behaupten, die Regierungskonferenz habe den Text des Konvents unverändert beibehalten – wohl wissend, dass das nicht stimmt, weil alle Änderungen durch die Regierungskonferenz den Text verschlechtert haben; man denke nur an den Legislativrat oder an die Streitigkeiten beim Haushalt –, wird keinen einzigen Europaskeptiker bekehren oder uns helfen, all diejenigen für uns zu gewinnen, die sich nicht vor einem nicht existierenden europäischen Superstaat fürchten und wissen, dass die Union noch einig genug oder geschlossen genug ist.

Für uns Grüne ist der europäische Integrationsprozess mit der Annahme der Verfassung noch nicht abgeschlossen, auch weil über die gegenwärtig 25 Mitgliedstaaten hinaus andere Länder und Völker noch dabei sind, das Verfahren für ihren Beitritt zur Union abzuschließen oder einzuleiten. Auch in diesem Punkt vertreten wir eine andere Auffassung als die Berichterstatter und glauben, dass das institutionelle System der Union, das immer noch zu schwerfällig und kompliziert ist, ohne eine weitere Reform langfristig nicht bestehen kann. Deshalb ist die Ratifizierung dieser Verfassung unserer Meinung nach eine Vorraussetzung für jegliche Entwicklung und jeglichen Fortschritt der zukünftigen Europäischen Union.

Es ist ein gefährlicher Trugschluss zu glauben, die Ablehnung dieses Textes würde den Weg zu einer anderen, besseren oder gar idealen Verfassung eröffnen. Ganz im Gegenteil: Ihn zu verwerfen würde bedeuten, dass es für uns bei den Bestimmungen des Vertrags von Nizza bliebe, die sowohl beim Anspruch der Zielsetzungen als auch in Bezug auf die institutionelle Struktur weitaus weniger fortgeschritten sind. Sollte der Verfassungsvertrag abgelehnt werden, dann wäre das eine perfekte Gelegenheit für die Europaskeptiker, darauf hinzuweisen, dass die Bürger nicht noch mehr Europa wollen, während wir doch sehr wohl wissen, dass dem nicht so ist. Und es würde viele Regierungen davon überzeugen, dass die Methode des Konvents – dieser schüchterne und halbherzige Versuch, undemokratische und ineffektive Reformmethoden wie diplomatische Beratungen und das Vetorecht zu überwinden - zu nichts führt.

Deshalb verfolgen wir ein doppeltes Ziel: diese Verfassung anzunehmen, damit wir rasch die Grundlagen für ihren Nachfolger legen können, indem wir versuchen, ein starkes und stabiles Bündnis mit jenen Kräften aus Politik, Gesellschaft, Organisationen und Wirtschaft zu schmieden, die wie wir der Ansicht sind, dass wir, um unsere Ziele der sozialen Gerechtigkeit, der ökologisch nachhaltigen Entwicklung und des Friedens zu erreichen, nicht nur die Wahlen auf nationaler Ebene wieder gewinnen, sondern auch die europäische Demokratie stärken und weiter vervollkommnen müssen. Dazu müssen wir die Initiative an uns reißen, und bei diesem Punkt, Herr Präsident, wird es meines Erachtens möglich sein, die Front jener wieder zusammenzuschweißen, die heute zwar von der unausweichlichen Notwendigkeit einer europäischen Demokratie überzeugt sind, aber bei der Bewertung dieses Verfassungstextes gespalten sind."

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© Alexander Briel
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