24.02.2021
Unsere EU-Parlamentarier DieGrünen/EFA Martin Häusling und Benoît Biteau legen dar, dass die Verfahren der Neuen Gentechnik die Probleme der industriellen Landwirtschaft nicht lösen werden und dem Natur- und Klimaschutz sowie dem Europäischen Green Deal zuwiderlaufen.
Die Entwickler der Neuen Gentechnik bewerben diese gerne als Mittel zum Natur- und Klimaschutz
In den letzten Jahren wurden verschiedene Gentechnikverfahren entwickelt, die zusammenfassend als ‚Gene Editing‘ bezeichnet werden. Eines von ihnen ist die viel gepriesene CRISPR/Cas-Genschere, deren Entwicklerinnen mit dem Nobel Preisausgezeichnet wurden. Die Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut behaupten, dass wir auf diese Technologie – die sie als ‘Innovation in der Pflanzenzüchtung’ bezeichnen – auf keinen Fall verzichten können, wenn wir unsere Landwirtschaft nachhaltiger gestalten wollen und insbesondere den Pestizideinsatz reduzieren wollen.
Ohne Zweifel: die Landwirtschaft muss nachhaltiger werden. Und zweifelsohne muss dringend auch der Einsatz synthetischer Produktionsmittel wie Pestizide und Düngemittel reduziert werden. Aber sollen wir nun ernsthaft glauben, dass wir dieses Ziel mit Hilfe der Gentechnik erreichen können?
Wenn man Chemikalien reduzieren will, wendet man sich besser nicht an diejenigen, die sie herstellen
Gentechnikfirmen haben schon immer gerne erzählt, dass ihre Produkte zu einem geringeren Einsatz von Agrargiften beitragen. Noch 2014 verbreitete Monsanto auf seiner Webseite, dass „gentechnisch veränderte Pflanzen LandwirtInnen dabei helfen…, ihre Pestizidanwendungen zu reduzieren“.
Bislang ist das Gegenteil der Fall. In Ländern, die die Gentechnik mit offenen Armen aufgenommen haben, ist die Verwendung von Pestiziden schneller angestiegen als anderswo. In Brasilien ist der Pestizideinsatz zwischen 2000 und 2010 um fast 200 Prozent angestiegen. Über die Hälfte aller Pestizide werden im Sojaanbau eingesetzt: mehr als 95 Prozent der Soja sind genetisch verändert, um das Spritzen mit Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat zu überstehen. Weltweit ist die Verwendung von Glyphosat um das beinahe 15-Fache gestiegen, seit 1996 die glyphosattoleranten, sogenannten ‚Roundup Ready’-Gentechnikpflanzen eingeführt wurden.
In den Ländern, die bereitwillig Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzen, haben sich die landwirtschaftlichen Betriebe in einen Teufelskreis manövriert. Die übermäßige Verwendung einiger Pestizide hat zur Resistenzentwicklung in Beikräutern und Insekten geführt, die wiederum zu einer erhöhten Verwendung von mehr und anderen Pestiziden führte und so weiter und so fort.
Für die Hersteller des genetisch veränderten Saatguts ist das natürlich kein Problem. Im Gegenteil, das Geschäft brummt. Schließlich sind die vier größten Hersteller von Gentechnik-Saatgut – Bayer, Corteva, Syngenta und BASF – ursprünglich alle Chemiefirmen, und sie alle produzieren Agrochemikalien.
Die Biolandwirtschaft bietet Antworten
Als Biobauern wissen wir, dass es sehr wohl möglich ist, ohne chemisch-synthetische Pestizide zu wirtschaften. Wie machen wir das? Mit lang-erprobten Praktiken wie vielfältigen Fruchtfolgen mit verschiedenen Pflanzenvarietäten, mit Gründüngung und mit Hecken, die den natürlichen Fressfeinden der Insekten, die sich sonst unsere Nutzpflanzen einverleiben, Lebensraum bieten. Nichts von alledem ist neu, und diese Praktiken werden kontinuierlich weiterentwickelt. Im Gegensatz zur Gentechnik schaden sie aber der Umwelt nicht. Im Gegenteil, sie tragen dazu bei, natürliche Ökosysteme zu unterstützen und zu schützen.
Natürlich sind robuste Pflanzenvarietäten auch wichtig. Aber die Möglichkeiten der Nutzpflanzen selbst sind begrenzt, ganz zu schweigen von denen einzelner Gene. Was uns Firmen, die Saatgut und Pestizide an die Landwirte bringen wollen, nicht sagen werden: es kommt auf das Gesamtsystem an – die Vielfalt an Nutzpflanzen, geschlossene Nährstoffkreisläufe und unseren sorgsamen Umgang mit Ökosystemen, die nur so gesunde Pflanzen produzieren können.
Gentechnik-Saatgut würde den Fortschritt bremsen
Biologische Landwirtschaft führt nachweislich zu einer höheren Artenvielfalt, speichert mehr Kohlenstoff und hat einen geringeren Energiebedarf, was dem Klimaschutz zugutekommt. Es ist daher sehr begrüßenswert, dass die Europäische Kommission und die MinisterInnen der EU-Länder den Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen in den nächsten 10 Jahren von aktuell 8,5 Prozent auf 25 Prozent ausbauen wollen. Das wird dazu beitragen, die Umweltziele der EU zu erreichen – mehr Natur und weniger Chemikalien, die der Tier- und Pflanzenwelt schaden.
Der Einsatz von Gentechnik würde diesen Zielen zuwiderlaufen. Die Biolandwirtschaft muss gentechnikfrei sein, so entspricht es ihrem Selbstverständnis und auch den EU-Verordnungen. Überall da, wo genetisch veränderte Nutzpflanzen angebaut werden, hat es sich jedoch als praktisch unmöglich erwiesen, die ökologische Erzeugung gentechnikfrei zu halten. Aktuell wird nur eine einzige gentechnisch veränderte Mais-Sorte auf sehr kleiner Fläche in der EU angebaut, in Spanien und in Portugal. In Spanien hat das dazu geführt, dass BiolandwirtInnen es aufgegeben haben, Mais anzubauen, nachdem ihre Ernten durch Gentechnik-Mais kontaminiert waren.
Doch die Gentechnologie schadet nicht nur den BiolandwirtInnen. Die Verwendung patentierten Saatguts hat die Konzentration in der Saatgutindustrie beschleunigt, und es steht zu erwarten, dass diese durch die Neue Gentechnik weiter zunehmen wird. Schon heute kontrollieren einige wenige multinationale Konzerne einen Großteil unserer landwirtschaftlichen Produktion. Mit dem Ergebnis, dass wir stets weniger Vielfalt unter den Nutzpflanzen haben. Dabei bräuchten wir das Gegenteil, um unsere Lebensmittelerzeugung in Zeiten des Klimawandels aufrecht zu erhalten!
Die Gentechnik bringt es auch mit sich, dass die Pflanzenzucht nicht mehr Angelegenheit der LandwirtInnen ist. Die können jedoch standortangepasste und robuste Pflanzenvarietäten züchten. Die professionelle und wirtschaftliche Autonomie der LandwirtInnen wird so untergraben.
Statt die Nachhaltigkeit zu befördern, wird mit Gentechnik das Gegenteil erreicht. Der Einsatz der Neuen Gentechnik würde die EU-Ziele der Pestizidminderung und der Förderung des Ökolandbaus unterlaufen, und dabei wirklich innovative Herangehensweisen ins Abseits manövrieren.
Die Hersteller von Gentechnik-Saatgut erzählen uns Märchen – glauben wir ihnen nicht!
Die Geschichte der ‚grünen’ Segnungen der Gentechnik ist so alt wie die Gentechnik selbst. In ihrer neusten Erzählart fokussiert sie sich auf die KlimaaktivistInnen und den Green Deal der Europäischen Kommission. Doch das ist noch nicht alles. Alle, die sich um Lebensmittelsicherheit sorgen, bekommen zu hören, dass die Neue Gentechnik ganz ‘präzise’ und darum auch sicher sei. Alle, die der Ansicht sind, dass solche Technologien nicht in die Hände einiger weniger Konzerne gehören, bekommen zu hören, dass CRISPR/Cas ein ‘demokratisches’ Werkzeug sei, das allen zur Verfügung stünde.
Wir Grünen haben alle diese Behauptungen unter die Lupe genommen und haben sie als Mythen, als Märchen enttarnt. Unsere neue Publikation ‘Gene Editing – Myths and Reality’ zeigt auf, dass acht der Aussagen, die die Industrie gerne vorbringt, irreführend, wenn nicht gänzlich falsch sind. Der Bericht ist eine gute Informationsquelle für alle diejenigen, die noch nicht von ‚Gene Editing‘ gehört haben, wie auch für diejenigen, die denken, dass sie heute schon alles wissen.
Gute Lektüre!