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Zur Lage der Menschenrechte in Tunesien

Entschließungsantrag

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage der Menschenrechte in Tunesien, insbesondere diejenigen vom 29. September und 15. Dezember 2005,

– unter Hinweis auf das am 1. März 1998 in Kraft getretene Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Tunesien,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Intensivierung der EU-Maßnahmen für die Mittelmeer-Partnerländer in den Bereichen Menschenrechte und Demokratisierung“ vom Mai 2003,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „10. Jahrestag der Partnerschaft Europa-Mittelmeer, ein Arbeitsprogramm für die Herausforderungen der nächsten fünf Jahre“ vom April 2005,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn“ vom 12. Mai 2004 und ihren am 4. Juli 2005 in Kraft getretenen Aktionsplan EU-Tunesien,

– unter Hinweis auf die im Juni 2004 verabschiedeten Leitlinien des Rates zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

– unter Hinweis auf seinen am 14. Februar 2006 angenommenen Bericht über die Menschenrechts- und Demokratieklausel in Abkommen der Europäischen Union,

– unter Hinweis auf die zwischen September 2005 und Mai 2006 von den Präsidentschaften der Europäischen Union unternommenen Schritte in Bezug auf die Menschenrechte in Tunesien,

– unter Hinweis darauf, dass Tunesien am 1. April 2006 den Vorsitz in der Parlamentarischen Versammlung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (PVEM) übernommen hat,

– unter Hinweis auf die Sitzung des politischen Ausschusses für Sicherheit und Menschenrechte der PVEM vom 7. Juni 2006,

– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 2 des Assoziationsabkommens EU-Tunesien und des Aktionsplans der Europäischen Nachbarschaftspolitik die Menschenrechte ein wesentliches Element der Beziehungen der Europäischen Union zu Tunesien sind,

B. diesbezüglich in der Erwägung, dass Tunesien sich in diesem Aktionsplan verpflichtet hat, die Demokratie und die Achtung der Grundfreiheiten gemäß den internationalen Übereinkünften zu fördern, und dass die Umsetzung dieser Verpflichtungen ein grundlegendes Element der Entwicklung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Tunesien ist,

C. in Erwägung der Erklärungen des amtierenden Ratspräsidenten und der Kommission in der Debatte vom 13. Dezember 2005 über die Menschenrechte in Tunesien, in denen über gravierende Einschränkungen der Grundfreiheiten und insbesondere der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz in Tunesien berichtet wurde,

D. in Erwägung der drei von der Kommission gegenüber der tunesischen Regierung zu diesem Zeitpunkt erhobenen Forderungen, nämlich unverzügliche Freigabe der für Projekte der Zivilgesellschaft zugewiesenen europäischen Mittel, Umsetzung des Programms zur Reform der Justiz und Einsetzung eines Unterausschusses für Menschenrechte, sowie mit der darauf Bezug nehmenden Feststellung, dass das einzige von der Kommission erzielte Ergebnis der Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung für die Reform der Justiz ist,

E. diesbezüglich in der Erwägung, dass das in dieser Vereinbarung vorgesehene Gesetz zur Einrichtung einer Fachhochschule für Anwälte Anfang Mai vom tunesischen Parlament verabschiedet wurde, ohne dass die Ergebnisse der Konsultationen mit der Anwaltskammer berücksichtigt wurden, woraus folgt, dass die Exekutive Ausbildung und Auswahl der künftigen tunesischen Anwälte kontrolliert; unter Hinweis auf die quasi systematische Einschüchterung der tunesischen Anwälte, die sich für die Unabhängigkeit der Justiz einsetzen, sowie die seit mehr als einem Jahr andauernde Haft von Rechtsanwalt Abbou; mit der Feststellung, dass trotz mehrerer Besuchsanträge der UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit der Richter und Anwälte immer noch keine Einladung seitens der tunesischen Regierung erhalten hat,

F. besorgt über das Verbot des Kongresses der Tunesischen Menschenrechtsliga, der am 27./28. Mai 2006 stattfinden sollte, sowie den Einsatz von Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger und internationale Beobachter; diesbezüglich unter Hinweis darauf, dass die Tunesische Menschenrechtsliga, erste arabische und afrikanische Menschenrechtsliga, einer der Grundpfeiler der unabhängigen Zivilgesellschaft in Tunesien ist,

G. in der Erwägung, dass die Lage der Rechte und Freiheiten in Tunesien inzwischen besonders besorgniserregend ist und dass die bisher von Rat und Kommission unternommenen Schritte offensichtlich nur begrenzte Wirkung zeigen; diesbezüglich unter Hinweis auf die Verpflichtung der Europäischen Union, die Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern anzuwenden, sowie die Verpflichtung der Europäischen Kommission, Anfang 2006 mit den Mitgliedstaaten die Menschenrechtslage in diesem Land neu zu bewerten und bei fehlenden Fortschritten zu entscheiden, ob zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen,

H. in der Erwägung, dass Tunesien seit 1. April 2006 den Vorsitz in der Parlamentarischen Versammlung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (PVEM) innehat und dass dies eine große Verantwortung dieses Landes für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten im Rahmen der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft beinhaltet,

1. weist darauf hin, dass Tunesien und die Europäische Union seit 1998 durch ein Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen verbunden sind, das in Artikel 2 eine Menschenrechtsklausel beinhaltet, die ein wesentliches Element dieses Abkommen ist;

2. bedauert die Verschlechterung der Lage der Freiheiten und Menschenrechte in Tunesien und fordert die tunesische Regierung auf, ihre internationalen Verpflichtungen bezüglich der Menschenrechte und der Demokratie strengstens einzuhalten;

3. fordert den Vorsitz der Europäischen Union auf, eine öffentliche Erklärung zu dem Verbot der Organisation des Kongresses der Tunesischen Menschenrechtsliga und den gegenüber Menschenrechtsverteidigern sowie tunesischen Anwälten und Richtern begangenen Gewaltakten abzugeben;

4. wiederholt seine Forderung an Rat und Kommission, einen Assoziierungsrat einzuberufen, um über die Menschenrechtslage in Tunesien zu diskutieren; fordert bei dieser Gelegenheit die Annahme eines verbindlichen Zeitplans für Reformen im Rahmen der Umsetzung des von Tunesien und der Europäischen Union angenommenen Aktionsplans;

5. fordert den Rat und die Kommission diesbezüglich auf, gegenüber der tunesischen Regierung rasch alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die für die Projekte der Zivilgesellschaft zugewiesenen europäischen Mittel freigegeben, die der Störung und Einschüchterung der Menschenrechtsverteidiger und der Tunesischen Menschenrechtsliga, der Richter und der Anwaltskammer dienenden Maßnahmen eingestellt werden, Rechtsanwalt Abbou freigelassen und das Gesetz zur Einrichtung der Fachhochschule für Anwälte ausgesetzt und überarbeitet wird;

6. fordert die Europäische Kommission auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, damit das Projekt zur Unterstützung der Reform der Justiz die Unabhängigkeit der Justiz und die Handlungsfreiheit der Staatsanwälte und Richter garantiert; fordert die tunesische Regierung gleichzeitig auf, den Besuch des UN-Sonderberichterstatters für die Unabhängigkeit der Richter und Anwälte zu akzeptieren;

7. fordert die Einsetzung und Tätigkeit eines im Aktionsplan vorgesehenen Unterausschusses „Menschenrechte“, um die Umsetzung der Reformen in Tunesien betreffend hauptsächlich die Förderung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, die Schaffung einer unabhängigen Justiz und die umfassende und vollständige Zusammenarbeit mit den Sonderverfahren der Vereinten Nationen zu verfolgen und zu bewerten;

8. vertritt die Auffassung, dass die Umsetzung all dieser Reformen als eine Priorität der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Tunesien betrachtet werden und ein grundlegendes Element der Entwicklung ihrer Beziehungen sein muss; ist diesbezüglich der Ansicht, dass, falls dieses Programm nicht respektiert würde, der Rat und die Kommission im Rahmen der Artikel 2 und 90 des Assoziationsabkommens alle entsprechenden Konsequenzen ziehen sollten;

9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Regierung und dem Parlament von Tunesien zu übermitteln.

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© Alexander Briel
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